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Was stimmt bloß nicht mit mir?

Wenn Sie sich die Frage in der Überschrift auch schon mal gestellt haben, bekommen Sie jetzt kostenlos und unverbindlich fundierte Antwort, zumindest, was Ihr Äußeres betrifft. Und zwar von einer künstlichen Intelligenz! Ich habe es ausprobiert und die Liste meiner „wahrscheinlichen Schwachstellen“ ist lang: Vertiefte Nasolabialfalte, Stirnfalten, dünne Lippen, vertiefte Falten unter den Augen, Krähenfüße, Fettpolster unter den Augen, um nur die schlimmsten (Wahrscheinlichkeit >90%) zu nennen. Und das, obwohl das Bild schon ein paar Jahre alt ist (ich habe mich nicht getraut, ein aktuelles Foto hochzuladen).

Ich habe dann die Seite zwei Freunden von mir empfohlen, die beide deutlich besser abschnitten als ich: Während Gonzo, der Gorilla mit mehr als 90% Wahrscheinlichkeit lediglich dunkle Ränder unter den Augen hat, kommt Blechkumpel Robbi nahezu fehlerfrei durch den Test. Zwar diagnostiziert die KI auch bei ihm eine vertiefte Nasolabialfalte als gravierendstes Problem, doch die Wahrscheinlichkeit dafür liegt anders als bei mir bei unter 80%! Oh! Mein! Gott! Was mach ich bloß?

 

Also ab zum Schönheitschirurgen. Und tatsächlich: Mit meinem neuen Gesicht schneide ich nun deutlich besser ab. Gute Arbeit, Doc! Die KI glaubt zwar immer noch, auf meiner gestrafften Haut eine vertiefte Nasolabialfalte zu erkennen, ist sich aber nicht mehr ganz so sicher. Nur blöd, dass sich neuerdings die Gesichtserkennung meines Handys weigert, es freizuschalten.

 

Klar, ein „Beratungsinstitut für Schönheitschirurgie“ wie Quoves, auf dessen Website die KI ihr Unwesen treibt, kann nicht davon leben, den Leuten zu sagen: „Du bist okay, so, wie du bist.“ Wer dorthin geht und sich von diesen "Beratern" eine Schönheitsanalyse machen lässt, darf sich über das Ergebnis nicht wundern. Trotzdem ist dies ein zwar krasses, aber nicht untypisches Beispiel dafür, wie künstliche Intelligenz benutzt wird, um uns unsere vermeintliche Unzulänglichkeit vor Augen zu führen – damit wir umso begieriger die Produkte der Kosmetik-, Mode- und womöglich Pharmaindustrie kaufen. Ob der Instagram-Algorithmus nun Bilder mit nackter Haut bevorzugt oder eine KI zur Beurteilung von Jobbewerbern diese nach den Bildern an der Wand hinter ihnen bewertet – auf das Äußere kommt es eben an. Und das soll doch bitte möglichst glattgebügelt und austauschbar sein!


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Kommentare: 2
  • #1

    Heinrich (Mittwoch, 21 April 2021 20:16)

    Ganz wichtig ist natürlich, dass die KIs der Schönheitschirurgen alle durchgeführten Änderungen an alle "Überwachungsorgane" melden, damit denen die biometrische Erkennung nicht unnütz erschwert wird. ;)

  • #2

    Karl Olsberg (Donnerstag, 22 April 2021 07:23)

    @Heinrich: Guter Punkt! Oder vielleicht ist Qoves ja in Wahrheit eine subversive Widerstandszelle engagierter Datenschützer, die Leute nur deshalb zum Schönheitschirurgen schicken, damit die Überwachungs-KIs sie nachher nicht mehr erkennen. Wenn wir alle exakt gleich aussehen, brauchen wir jedenfalls keine Guy-Fawkes-Masken mehr. :)